Das Team ProKernberge war beim diesjährigen, 43. Kernberglauf am 19. Oktober 2019 wieder mit einem großen Team vertreten.
Nicht einmal der Jüngste (11 Jahre) ließ sich vom nieseligen Schmuddelwetter davon abhalten, mit seinem weitsichtbaren orangefarbenen Shirt das Motto der Bürgerinitative: „Natur statt Beton“ laufend bekannt zu machen. In den drei Disziplinen 5 km-Jedermannslauf, 15 km-Lauf und 27 km-Lauf erzielten die ProKernberge-Läufer und -Läuferinnen zum Teil hervorragende Ergebnisse in ihren Altersklassen.
In der Mannschaftswertung ist dem Team ProKernberge zu einem respektablen 9. Platz zu gratulieren!
Vortrag von Dr. Hans-Georg Kremer am 7. Mai 2019 in der Talschule
Der Ortsteil Kernberge ist mit dem Ernst-Abbe-Sportfeld und den zahlreichen daran angrenzenden Sportanlagen, mit dem benachbarten Universitätssportzentrum, der „Muskelkirche“ und den zugehörigen Übungshallen und Übungsplätzen, sowie mit dem südlich daran anschließenden Sportgymnasium „Johann Chr. Fr. GuthsMuths“ und dessen vielfältigen Trainingsstätten gleichsam das Herz des Jenaer Sports. Hier wurde seit Jahrzehnten „das gesamte Panorama von Sportarten“ betrieben, “das die Menschheit bisher hervorgebracht hat“ (Hans-Georg Kremer), und wurde und wird immer wieder große Sportgeschichte geschrieben. Wie kam es, daß gerade das Gelände am Fuße der Kernberge mit einer solchen Konzentration bedeutender Sportstätten derart zentrale Bedeutung für Jena als „Sportstadt“ gewann?
Dieser so spannenden Frage für unseren Ortsteil galt der 6. Vortrag unserer Reihe „Das Kernbergviertel – Wurzeln und Wachstum“ am 7. Mai in der Talschule. Für ihn konnten wir den derzeit besten Kenner der Jenaer Sportgeschichte, den bekannten Sporthistoriker und langjährigen Mitarbeiter am Sportwissenschaftlichen Institut der Universität Jena, Herrn Dr. Hans-Georg Kremer, gewinnen. In seinem Vortrag „Die Anfänge des Sports im Kernbergviertel“ richtete Dr. Kremer vor einer großen, ihm gebannt folgenden Hörerschaft den Blick zunächst auf wichtige frühe Stationen des Sports in Jena wie das 1567 erwähnte öffentliche Ball- und Kegelspielen auf der Landveste in der Saalevorstadt, das 1670 genannte „Ballhaus“ für das Ballspiel und andere Sportarten und den 1859 gegründeten Turnverein mit seiner 1895 eingeweihten großen Turnhalle in der Lutherstraße.
Daran anschließend würdigte er als den eigentlichen Begründer und „Vater des Jenaer Sports“ ausführlich den Jenaer Gymnasial-Turnlehrer Hermann Peter (1856-1928). Dieser war führend an der Gründung des ersten Fußballvereins in Jena 1893 beteiligt und setzte sich in der Folgezeit für die Gründung von Vereinen für das Rudern, Tennis und die Leichtathletik in der Oberaue ein. Besondere Bedeutung gewann er aber vor allem durch seine weitsichtige Gründung eines „Vereins zur Herstellung eines Spielplatzes“ im Jahre 1893. Für diesen Verein erwarb Peter umfangreiche Ländereien auf den Wöllnitzer Wiesen, auf denen Spielfelder und Sportplätze für Ballspiele, Tennis und Leichtathletik angelegt wurden, die sämtlichen Schulen, Vereinen und der gesamten Jenaer Bürgerschaft offenstanden. Damit legte er die entscheidenden Grundlagen für den Aufstieg der Oberaue zum Zentrum des Jenaer Sports. Daß die Wahl gerade auf die Oberaue fiel, lag an deren guter Erreichbarkeit, ihren ausgedehnten ebenen Flächen und dem günstigen finanziellen Rahmen.
Bei seiner Darstellung der weiteren Entwicklung ging Dr. Kremer vor allem auf die Gründung des Fußball-Clubs “Carl Zeiß“ in der Oberaue im Jahre 1903 ein, der sich, nachdem ihm weitere Sportarten wie Leichtathletik, Schwimmen, Hockey und Tennis integriert wurden, 1917 in „1. Sportverein Jena“ umbenannte, und verwies auf die Anlage von 32 Tennisplätzen 1910 auf dem Gelände des Spielplatzvereins und den hier 1911 mit einer eigenen Fußballabteilung gegründeten „Verein für Bewegungsspiele“ (den späteren Universitäts-Sportvereins). Weitere wichtige Etappen waren 1911 der Plan der Weimarer Regierung zur Einrichtung eines „Landesinstituts zur Ausbildung von Turnlehrern und Sportwarten“, das der Jenaer Universität angegliedert werden sollte, und der gleichzeitige Regierungsauftrag an die Universität, die Ausbildung von Sportlehrern zu übernehmen. Als Folge hiervon kaufte die Universität 1914 das gesamte Gebiet in der Oberaue einschließlich der vorhandenen Sportstätten dem schwer erkrankten Hermann Peter und dessen Spielplatzverein ab und machte die Anlagen, die der Bevölkerung weiter offenstanden, zum Zentrum ihrer Ausbildungstätigkeit – die Anfänge des heutigen Sportwissenschaftlichen Instituts.
Nach dem Ersten Weltkrieg nahm die Konzentration von Sportstätten in der Oberaue weiter zu. 1920 begann der „1. Sportverein Jena“ (der spätere FC Carl Zeiss Jena) 1920 mit den Planungen und der Errichtung eines eigenen Stadions mit mehreren angegliederten Rasensportplätzen auf einem von der Universität ertauschten Gelände, das 1924 eingeweiht wurde – dem Kern und Vorgänger des heutigen Ernst-Abbe-Stadions. Gleichzeitig schaltete sich auch die Stadt mit ihrem 1920 gegründeten „Sportamt“ stärker in den Ausbau der Sportstätten in der Oberaue ein.
Baulich markantestes Zeichen der nun entstehenden vielfältigen Sportanlagen war neben dem Stadion die sog. „Muskelkirche“, der sich Dr. Kremer im letzten Teil seines Vortrags ausführlich zuwandte. Die Planungen für sie setzten 1926 ein, nachdem die schon 1911 geplante „Thüringische Landesturnanstalt“ mit Sitz in der Oberaue 1925 von der thüringischen Landesregierung gegründet und als gleichzeitig an der Jenaer Universität als erster deutschen Hochschule der obligatorische Sportunterricht für alle Studierenden eingeführt wurde. Vorgesehen war ein repräsentativer Gebäudekomplex, der auch eine neue Universitätssporthalle sowie eine kleinere Turnhalle und getrennte Internatsgebäude für Mädchen und Jungen beherbergen sollte. Mit seiner Erbauung wurde 1926 der Regierungsbaumeister Jakob Schrammen (1871-1944) beauftragt, der als höherer Ministerialbeamter im Thüringer Finanzministerium tätig war und nur geringe Reputation als Architekt nur besaß. Sein Entwurf, der ein „Sammelsurium von Stilelementen“ (Kristin Knebel) historistischer Prägung verkörperte, entsprach voll den Vorstellungen seiner Auftraggeber in der damaligen rechtskonservativen Landesregierung, die der Heimatkunstbewegung nahestanden und 1925 das Bauhaus aus Weimar vertrieben hatten. Diese politischen Hintergründe erklären es, weshalb an dieser wichtigen Stelle ein Bauwerk entstand, das statt der Modernität und Funktionalität des damaligen Bauhausstils rückwärts gewandten Bauformen verpflichtet war und das, im Volksmund eher spöttisch als „Muskelkirche“ bezeichnet, in der Presse schon vor seiner Vollendung als „Schande“ betrachtet wurde.
Die Eröffnung der Landesturnanstalt im Jahre 1929 stellte einen ersten Abschluß der Entwicklung der Oberaue zum Zentrum des Jenaer Sports dar. Mit dem Ausblick auf sie und mit ihrer politischen und baugeschichtlichen Einordnung beendete Herr Dr. Kremer seinen fesselnden Vortrag, dem er mit zahlreichen Abbildungen aus seinem umfangreichen Bildarchiv lebhafte Anschaulichkeit verlieh. Seine Ausführungen, die er in der anschließenden Diskussion noch weiter vertiefte, boten ein faszinierendes Bild dieses für die Jenaer Sportgeschichte wie für das Kernbergviertel gleichermaßen zentralen Geschehens. Umso freudiger darf bereits an dieser Stelle angekündigt werden, daß sich Herr Dr. Kremer bereit erklärt hat, in einem weiteren Vortrag auch die Entwicklung des Sports im Kernbergviertel von den 1930er Jahren bis in die Gegenwart zu behandeln. Als Termin haben wir bei unseren ersten Überlegungen den Herbst 2020 ins Auge gefaßt.
Der zweite Vortrag dieses Jahres im November soll mit Blick auf das Kernbergviertel dem 30-jährigen Jubiläum der friedlichen Revolution gewidmet sein. Das genaue Thema und der Termin stehen allerdings noch nicht fest und werden noch rechtzeitig mitgeteilt.
„Klimanotstand allerorten“ titelt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 28. Juli 2019 auf der Titelseite. Unter den Städten, die den Klimanotstand erklärt haben, ist auch Jenas Partnerstadt Erlangen. Dort war es in den letzten Tagen trotz der weiten, flachen Landschaft sogar noch deutlich wärmer als bei uns in der Kessellage des Saaletals. Laut F.A.S. rät der Umweltmeteorologe Andreas Matzarakis vom Deutschen Wetterdienst den Städten, sich „langfristig vor allem beim Bauen auf den Klimawandel einzustellen“. Besonders wichtig sei, wie die F.A.S. zitiert: „genug beschattete Flächen – und nicht alles zubetonieren“.
An dieser Stelle haben Jenas Bürger und die Bürgerinitiative ProKernberge in den letzten Jahren Weitblick bewiesen: Durch das Ziegenhainer Tal und seine Seitentäler strömt dank ihres Engagements noch immer nach heißen Sommertagen frische, kühle Luft in die Innenstadt. Wer an warmen Sommerabenden einen Spaziergang oben im Gartenland zwischen Hildebrand- und Treunertstraße macht, fühlt den kühlen Wind, der Mensch und Natur im Tal Erfrischung bringt.
Wir dürfen nicht vergessen: Wenn Bürger und Bürgerinnen des Kernbergviertels sich nicht zur Bürgerinitiative formiert und mit dem Motto „Natur statt Beton“ gegen den 2013 geplanten Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplanes gekämpft hätten, wäre die Frischluftschneise jetzt schon zubetoniert und der Frischluftzustrom unwiederbringlich versiegt.
Gut für uns und gut für Jena, dass das Gartenland kein Bauland ist!